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Case-Study MEGA: Professionelle Kundenkommunikation optional

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Aus dem Willkommens-Anschreiben meines neuen Internetanbieters:

Die zu den Produkten zugehörigen Endgeräte können Sie vor Ihrem gewünschten Schaltungstermin - dem 18.04.2017 - beauftragt die MEGA MULTIMEDIA einen Dienstleister, der sich mit Ihnen in Verbindung setzt und die Hausinstallation der Glasfaser in Absprache vornimmt. Die dazugehörigen Endgeräte werden zu diesem Termin bereitgestellt.

Und:

Ein reibungsloser Start mit Ihrem neuen Glasfaseranschluss ist uns sehr wichtig.

Nun. Der Termin war kein Wunschtermin, sondern wurde mir diktiert. Zudem im ersten Wurf auf den gestrigen Ostermontag. Darauf angesprochen wurde der Termin korrigiert und kommentarlos das gleiche fehlerhafte Schreiben mit neuem Datum und diesmal auch korrekter E-Mail-Adresse nochmal rausgeschickt. Heute ist der Schaltungstermin, vom angekündigten Dienstleister habe ich nichts gehört. Am Samstag war das Kundenservicecenter nicht zu erreichen mit der wenig hilfreichen Ansage, man rufe außerhalb der Öffnungszeiten an. Wenn man schon über Ostern zu macht, könnte man wenigstens die Ansage an der Hotline anpassen. Jetzt warte ich schon eine Weile auf einen Rückruf vom Kundencenter, das sich nicht die Bohne für die Rückmeldung bezüglich des kaputten Satzes im Willkommensschreiben interessierte und mich unterbrach, um nach meiner Adresse zu fragen.

Insgesamt habe ich bislang einen desaströs unprofessionellen Eindruck von dem Laden. Das ging schon los damit, dass ich nach mehr Upload frage und mehrmals von verschiedenen Beteiligten gesagt bekomme, dass der nicht im Angebot ist, weil das nicht nachgefragt werde. Doch, von mir, jetzt gerade. Was ist das denn für ein Verständnis von Kundenorientierung? Und wenn das angeblich niemand haben will oder braucht oder nutzt, warum drosselt man den Upload dann völlig ohne Grund? Traffic koste ja Geld und man passe sich dem Markt an. Dem Markt von 2013, aber lassen wir das. Da verlegt man also moderne Technik, wirbt auf dem Flyer mit dem Gigabit-Potenzial und der schnellste Upload, den Privatkunden bekommen, liegt bei 20MBit/s. Nicht technisch bedingt, sondern weil der Wettbewerb 2013 auch nicht mehr anbot. Und weil, das ist ja der einzig nachvollziehbare Grund für eine technisch nicht notwendige Schlechterleistung, man für die volle Leistung einen Aufpreis verlangen möchte. Was man aber hier gerade nicht tut, selbst wenn Kunden Zahlungsbereitschaft signalisieren. Ein gewinnorientiert wirtschaftendes Unternehmen würde sich diese Zahlungsbereitschaft genau ansehen, das mit den (hier nur marginal anfallenden1) Kosten gegenrechnen, sich die Hände reiben und eine entsprechende Tarifoption daraus bauen, die zumindest auf Nachfrage buchbar wäre.

Inzwischen bekommt man für prohibitiven Aufpreis immerhin auch 500/50MBit/s und liegt damit wieder knapp vor dem Wettbewerb (zu einem Preis von zwei Wettbewerbsanschlüssen). Aber zurück zur widersprüchlichen Argumentation, mehr Upload wolle/brauche ja niemand und würde auch niemand nutzen auf der einen Seite und Traffic kostet ja auch Geld auf der anderen. Ja was denn nun? Wenn das niemand nutzt, greift das Traffickosten-Argument nicht mehr. Ich brauche ja auch fast nie mehr Upload. Aber wenn, dann ist das ein echter Faktor. Der Flyer wirbt mit Cloud-Computing, große Down- &Uploads (sic!) und Onlinebackups. Fehlt noch die explizite Nennung von YouTube-Uploads. All das sind Sachen, die erst mit mehr Upload Sinn und Spaß machen. Und dann stellt man sich hin und sagt interessierten Kunden, dass sie die Ersten wären, die danach fragen und sowieso die Einzigen, die da Bedarf für hätten und deswegen sei man halt ein doofer Einzelfall und soll bitte nicht weiter rumnerven. Die routinierte Genervtheit dieses Abwimmelns lässt mich vermuten, dass ich keineswegs der erste und einzige Interessent bin, der danach fragt. Und dass die Gründe andere sind, als die benannten.

Man empfahl mir dann mehrmals einen Geschäftskundenanschluss. Den könnten auch Privatkunden buchen, die Preise müsste ich aber selber bei der entsprechenden Ansprechperson erfragen. Die fand es aber nicht nötig, auf meine Mail zu antworten. Erst als ich drei Wochen später persönlich im Kundencenter vorsprach, bekam ich am nächsten Tag eine Antwort. Über 400€ im Monat inkl. Mehrwertsteuer für einen symmetrischen 100MBit/s-Anschluss, bei dem dann aber kein TV mehr möglich ist. Das werte ich mal als sehr zynischen Humor. Kein Wunder, dass die Preistabelle nicht öffentlich ist.

Ich habe also einen Privatkundenanschluss gebucht und auf den Datenraten-Boost für horrende 30€ im Monat verzichtet. Wenn ich dafür symmetrische 200MBit/s bekommen hätte, hätten wir drüber reden können. Aber 500MBit/s runter brauche ich wirklich nicht und die Steigerung von mutwillig gedrosselten 20 auf 50MBit/s ist zwar verlockend groß, das absolute Niveau ist aber noch immer unnötig niedrig. Hey, das sind 85€ im Monat, das ist weit weg von Portokasse. Im Kundencenter wunderte man sich, dass ich überhaupt danach frage und nachdem ich die Preise gehört habe, wunderte ich mich auch nicht mehr, dass man sich über Interessenten wundert. Die neuen Datenraten werden mehr oder weniger offensiv beworben (etwa ganzseitig auf der Innenseite vom Wochenanzeiger), aber ohne Preise zu nennen. Die Preise werden jetzt nach mehreren Wochen immerhin auf der Website kommuniziert. Da liegt die Vermutung nahe, dass das nur angeboten wird, um nicht lahmer als der Wettbewerb dazustehen. Technisch ist das ja in wenigen Minuten umgesetzt: Drossel umkonfigurieren, fertig. Eine Person, mit der ich sprach, kam mit dem Argument, dass man die Kunden nicht mit unnötigen Tarifoptionen verwirren möchte. Es gibt jetzt fünf Geschwindigkeitsstufen jeweils mit und ohne Fernsehen. Im Fernsehbereich gibt es eine Vielzahl von Paketen und Zubuchoptionen. Aber für einen auf Nachfrage freischaltbaren Uploadboost, wie er bei anderen Anbietern mit den entsprechenden technischen Bedingungen zu kostendeckenden Preisen angeboten wird, reicht es nicht? Das wäre dann verwirrend für die Kunden, die das nicht brauchen? Was ist das für ein absurdes Argument?

Auf der Stromseite hatte ich übrigens auch schon Ärger mit der MEGA, aber das ist eine andere Geschichte. Kurzfassung: Naturstrom hat mir aus Kulanz den Wärmepumpentarif gegeben, was meinem Schlichtungsverfahren die Basis entzogen hat. Lieber wäre mir gewesen, dass die MEGA als Grundversorger ihre aus meiner Sicht marktbehindernde Praxis aufgibt, ein Zählprofil an Wärmepumpenzählern zu nutzen, das das Ausschöpfen der Förderung bei anderen Stromlieferanten (nach übereinstimmenden Aussagen von Naturstrom und Lichtblick) verhindert. Das hätte das Problem für alle Wärmepumpenbetreiber in Monheim gelöst. So müssen das unsere Nachbarn bei Bedarf alle einzeln durchfechten, Verlierer sind die kulanten Ökostromanbieter. Ach ja, Charmebonus: Wenn man den verbilligten Wärmepumpentarif bei der MEGA haben will, den es ja nur dort gibt, muss man auch den Haushaltsstrom dort beziehen. Das ist mal Chuzpe.

Insgesamt bleibt ein sehr unprofessioneller und behördenhafter Eindruck von der MEGA. Ich bin gespannt, ob die wenigstens die Technik im Griff haben. Man versprach mir eine direkte Anbindung an einen der Düsseldorfer CIXe ohne jeden Eingriff in den Datenverkehr. Explizit keine telekomsche-YouTube-Ausbremsung, kein unitymediaeskes abendliches Netflixruckeln (oder Websitebremsen oder FTP-Upload-Scheitern oder vergiss-es-kein-VPN-nach-Hause-DS-Lite). Ich bin gespannt.

Fast zwei Stunden durfte ich auf den versprochenen Rückruf warten, ob es sich lohnt, heute noch zu Hause zu bleiben oder doch ins Büro zu fahren. Was für eine gutsherrenartige Frechheit, mir einen Schaltungstermin zu diktieren (ohne Absprache, aber nonchalant als Wunschtermin betitelt), sich im Vorfeld nicht zu melden, am Samstag vorher entgegen der Öffnungszeiten einfach nicht erreichbar zu sein, und dann nicht mal kurzfristig klären zu können, ob mein Zuhausebleiben am Schaltungstag überhaupt noch nötig ist. Habe ich da ein zartes sorry vernommen? Nö, natürlich nicht, warum auch? Das hat die Gutsherrin (was für ein Wort?!) MEGA nicht nötig. Immerhin war der Dienstleister, der das nachher macht und mich dafür kurzfristig dazwischengeschoben hat, angenehm und entschuldigte sich erst mal, das da bei mir was durchgerutscht ist. Aber das ist bezeichnenderweise ein Dienstleister und nicht die MEGA selber.


  1. Der Großhandels-Trafficpreis liegt pro Gigabyte im Cent-Bereich. Die eigentlichen Kosten sind also sprungfix: Erreicht man das Leitungslimit, muss man mehr Leitungen verlegen oder anmieten. Das wird dann pro Kunde plötzlich sprunghaft teurer in der Kalkulation. Aber: Leitungskapazitäten baut man symmetrisch auf. Wenn man also den Upload stark drosselt, schafft man dort viel brachliegende Kapazität (die man je nach Rechnungsmodell als Opprtunitätskosten kalkuliert oder einfach ignoriert). Die kann man mit Geschäftskunden und Rechenzentren auslasten, aber ich gehe davon aus, dass man, wenn man sowas in dem nötigen Ausmaß betreibt, sowieso ganz andere Kapazitäten plant. Wenn man also die Upload-Drossel teilweise oder ganz wegnimmt, belegt man erst mal die freien Kapazitäten. Wenn man nach Marktgesetzen kalkuliert, hängt der Preis für den Wegfall einer solchen Drosselung also letztlich alleine von der Zahlungsbereitschaft der potenziellen Kunden ab (die wiederum vom Wettbewerbsumfeld geprägt ist). Das kann man in Erfahrung bringen und dann einen passenden Preis auswählen, der nicht alluzuvielen zu teuer ist, so dass sich ein Maximum für den Anbieter herausholen lässt. Für sowas studieren Leute BWL und dann können die das. Ergebnis: Ein Marktpreis, aber vor allem überhaupt erst mal ein Angebot für das Weglassen der Drosselung. Es sei denn, die Kalkulation sagt: Finger weg, den nötigen Preis sind zu wenige Kunden bereit zu bezahlen, dann treffen sich die Kosten- und die Einnahmen-Kurve erst in einem Bereich, in dem der Anbieter drauf zahlt. Grob gesagt. Aber ich würde viel Geld darauf verwetten, dass das hier nicht der Fall ist. Vor allem, weil die Skalierung der Tarife über die zehnmal höhere Downloadrate organisiert wird. Wenn sprungfixe Leitungskosten höhere Datenraten verhindern würden, würde man erst mal das brachliegende Uploadpotenzial ausschöpfen und vermarkten und dann erst größere Sprünge in den Downloadraten anbieten, die zudem in der Tat zur Zeit kaum ein Kunde erreichen wird. 


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